Schaffe, schaffe, Häus… Wofür noch gleich?

Boah, F.A.Z. Schon wieder macht sich die Frankfurter Zeitung für die Pflicht zu arbeiten stark. Auch wenn das nicht überraschend ist, bleibt es bemerkenswert, wie sehr die Ideologie der Arbeit als Lebenszweck die Seiten dieser Zeitung durchzieht. Heute ist es ein Artikel von Nadine Bös, der bis jetzt noch nicht hinter der Paywall verschwunden ist, in dem die Ergebnisse einer Studie referiert werden, die vom Beratungsunternehmen Gallup durchgeführt worden ist (und wohl regelmäßig im Frühjahr durchführt). Dass wohl klar ist, wen Gallup so berät und dass diese Beratung zunächst einmal den Arbeitgebern entgegen kommt, versteht sich wohl von selbst. Und entsprechend sind die Ergebnisse wenig überraschend und lassen sich, wiefolgt, zusammenfassen: Menschen wollen nicht mehr arbeiten bzw. wollen nicht mehr so viel arbeiten.

Ärgerlich ist das alles hauptsächlich, weil Nadine Bös die Ergebnisse dieser Studie dazu nutzen möchte, den Nachweis zu erbringen, dass die Äußerung von BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter so falsch nicht gewesen sei.

„Seit den Aussagen von Arbeitgeber-Chef Steffen Kampeter diskutiert ganz Deutschland darüber, ob wir wieder mehr „Bock auf Arbeit“ brauchen. Neue Umfrage-Ergebnisse besagen: Da könnte was dran sein.“

Zudem verknüpft der Artikel die Ergebnisse mit dem Schlagwort vom Quiet Quitting, was auch in diesem Artikel mit „Dienst nach Vorschrift“ gleichgesetzt wird, eine Gleichsetzung, die man bösartig nennen darf oder zumindest einigermaßen gedankenlos. Setzt man voraus, dass die Redewendung einmal dazu benutzt worden ist, um insbesondere Arbeitnehmer*innen zu bezeichnen, die niemals bereit gewesen sind, auch mal eine Stunde länger zu bleiben, wird sie jetzt dazu benutzt, jede Arbeitnehmer*in zu meinen und herabzuwürdigen, die auf den Modalitäten ihres jeweiligen Arbeitsvertrages besteht.

„Die neuen Gallup-Zahlen, die seit diesem Mittwoch auf dem Markt sind, spielen den Beunruhigten in die Karten: 18 Prozent der Beschäftigten in Deutschland gaben in der Umfrage an, dass sie keinerlei emotionale Bindung mehr zu ihrem Unternehmen verspürten und schon innerlich gekündigt hätten. […] Zugleich ist der Anteil der Beschäftigten mit einem hohen Engagement für ihr Unternehmen so klein wie selten und beträgt nur noch 13 Prozent. Der ganze große Rest macht mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift; ihre emotionale Bindung ans Unternehmen ist weder besonders hoch noch besonders gering.“

In dem Referat der Ergebnisse werden „Dienst nach Vorschrift“ und „emotionale Bindung ans Unternehmen“ so zusammengezogen, als sei der Mangel an emotionaler Bindung an ein Unternehmen ein vollkommen natürlicher und richtiger Sachverhalt, während die Arbeit nach vorgeschriebenen Merkmalen eine unnatürliche und falsche Abweichung darstelle.

Bemerkenswert auch das Zitat des Gallup-Angestellten, Marco Nink: „Es scheint, dass sich Führungskräfte im vergangenen Jahr stärker um das Managen von Krisen gekümmert haben als um ihre Beschäftigten. Diese sind nach Corona wieder ein Stück weit vom Aufmerksamkeitsradar verschwunden“. Als wäre die Situation von Beschäftigten während der Corona-Pandemie nicht krisenhaft gewesen, kümmern sich Führungskräfte nun wieder um Krisen zulasten der Arbeitnehmer*innen, die wahrscheinlich Überstunden übernehmen sollen, um den Unternehmen aus der Krise zu helfen…

Undsoweiter undsofort. Die eigentlich Frage, warum Menschen überhaupt so viel arbeiten sollten, wird (wiederum nicht überraschend) gar nicht erst gestellt, da man zumindest bei der F.A.Z. die Antwort kennt: Wohlstand. Dass zu diesem Wohlstand die Zeit gehört, diesen Wohlstand überhaupt genießen zu können, ja vielleicht Zeit überhaupt der eigentliche Wohlstand ist, fällt Vertretern der Arbeitsideologie gar nicht erst ein. Das ist alles bemerkenswert, nicht weil die Ergebnisse überraschend sind, sondern die Reaktion bestimmter gesellschaftlicher Kreise so eindeutig vorherzusagen ist. Vielleicht ist es eine Folge der Corona-Pandemie, dass Menschen einfach müde geworden sind, ihr Leben der Arbeit zu widmen, weil sie erkannt haben, wie die Journalistin Sarah Jaffe es auf den Punkt gebracht hat, „Work won’t love you back.“

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